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Eines Wintertages war er da, ein magerer schwarz-weißer Kater, mit tränenden Augen und einer Schnupfennase. Er hatte sich in den Offenstall der Pferde gerettet, um wenigstens ein kleines bisschen dem eisigen Wind zu entkommen.
Er erinnerte an eine Siamkatze mit der falschen Farbe: lang, drahtig, muskulös, ein dreieckiger Kopf, und ovale Pfoten, dazu ein Fell, welches man nicht als wintertauglich bezeichnen konnte. Er machte nicht den Anschein, vorher jemals an der frischen Luft gewesen zu sein. Abgesehen davon, dass bei diesen Temperaturen sowieso keine Mäuse herumliefen, ich glaube nicht, dass er sie gekriegt hätte. Die Vögel, die es bei uns noch gab, waren fast ausschließlich Wildgänse. Es gab für einen Kater wie diesen draussen nichts zu fressen. Er war verzweifelt und hungrig.
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Ich habe ihn mit zu mir ins Haus genommen. Den Platz am Ofen, den ich ihm anbot, mochte er nicht. Er schlief lieber schnurrend neben mir auf dem Kopfkissen ein.
In seinen Träumen lief er die ganze Nacht.
Ich hatte den Eindruck, er könne weder springen, noch spielen. Türen schienen ihm fremd zu sein und auch das Licht, welches von den selten vorbeifahrenden Autos ins Zimmer schien.
Allerdings musste ich ihn regelmäßig vom Heuboden holen, also war ihm springen, oder zumindest klettern doch nicht ganz fremd. Er kam dort zwar hoch, aber nicht mehr hinunter. Man sah mich also öfters auf einer langen, wackeligen Leiter stehen, hoffend, das keins der beiden Schweine diese umwarf und einen Kater in Empfang nehmen, der mit einer Piepstimme rufend und mit Spazierstockschwanz auf mich zulief. Wie ich, ohne je zu fallen, mit einem Kater auf dem Arm, diese Leiter hinabgekommen bin? Ich weiß es nicht.
Ich habe ihn in dieser Zeit "Katerchen" gerufen, da er, trotz seiner Größe, den Eindruck erweckte klein zu sein.
Seinen Schnupfen haben wir übrigens erst einmal nicht in den Griff gekriegt. Es hat noch eine Weile gedauert, bis ich auf des Rätsels Lösung kam.
Tagsüber nahm ich ihn mit nach draussen, wo er mich bei meinen täglichen Arbeiten mit den Pferden begleitete. Überhaupt war er am liebsten ganz dicht bei mir. Wohin ich ging, dahin ging auch er. Nur zu den Rindern, über den Hof, das war im unheimlich. Ich brachte es natürlich nicht über das Herz, ihn "alleine zurück zu lassen". Also sah man uns oft den anderen "Weg" zum Stall nehmen. Für mich hieß das durch's Gestrüpp kriechen, er kürzte über die zugefrorene Graft ab und war schon am Stall, während ich noch mit dem Elektrozaun kämpfte, der die freilaufenden Rinder vom Ausflug in eben jenes Gebüsch abhalten sollte.
Inzwischen kastriert, kam ihm eines Nachts die Idee, dass er von nun an jede Nacht um 1:00 raus müsse. Da er nicht gerne auf's Katzenklo ging, sondern lieber einhielt, konnte ich ihm diesen Wunsch nicht verwehren. Also stand ich jede Nacht auf und ließ in raus. Immer mit dem Gedanken, dass er nicht allzu lange mit seinem Schnupfen bei den Temperaturen und bei dem eisigen Wind draussen sein sollte. So stellte ich mir von da ab jede Nacht den Wecker im 2 Stunden-Abstand, stand auf, zwängte mich mit Schlafanzug in Hose und Jacke, nahm die Taschenlampe und begab mich auf die Suche. Mal kam er mir in der Deele schon entgegen, dann fand ich ihn dort schlafend im großen Hundekorb, manchmal fand ich ihn garnicht. Dann hieß es wieder wecker-stellen, wieder aufstehen, wieder frieren, wieder suchen. Einmal kam er wieder und war bis zum Hals nass, wahrscheinlich war er in der Graft durch's Eis gebrochen, zum Glück nur bis zum Hals. Eines Tages tauchte er tatsächlich garnicht auf. Nachts nicht, Morgens nicht, Mittags nicht. Da habe ich gedacht, ich hätte ihn verloren. Plötzlich, nach dem Mittagessen war er da. Er hat mir nie erzählt, wo er so lange war. Jetzt weiß ich, dass so etwas bei ihm durchaus vorkommen konnte. Damals aber war ich vollkommen aufgelöst.
Überhaupt war ich müde. Geplagt von einem permanent schlechten Gewissen ihn entweder ein- oder auszusperren, etwas, was mir zutiefst missfällt, da ich immer die Freiheit der Tiere als oberstes Gebot nehme. Glücklich waren wir beide, wenn wir zusammen oben auf den Strohballen saßen bis mir, trotz doppelter Socken, die Füße einfroren oder wenn wir im Obstgarten standen, bzw. saßen, ich die Pferde beobachtend und er das draussen-sein genießend. Ganz klar war er kein Kater, den man hätte einsperren können. Vielleicht war das der Grund, warum man ihn ausgesetzt hatte.
Dann hieß es Sachen packen, es ging zurück ins Rheinland. Für mich und für Katerchen war klar, ich gehe nicht ohne ihn. Das sahen die anderen Menschen des Hofes nicht so. Es kam die Aussage "Lass ihn doch auf dem Land leben", als wäre eine Katze Orts- und nicht Menschengebunden. Es war ein zähes Ringen, aber Katerchen und ich haben es gewonnen. Der Preis dafür war ein Name, dem ich ihm nie gegeben hätte, den sich aber die Menschen, die ihn auf dem Hof halten wollten, wünschten: Fiete. Ein Name, das muss ich zugeben, so eigen, wie dieser Kater und ein Ostfriese soll, klar, auch einen ostfriesischen Namen haben (wenn auch nur auf dem Papier).
In Köln machte er Bekanntschaft mit unserem alten Kater Anton, dem er auf Schritt und Tritt folgte. Was der nicht immer ganz so spaßig fand. Leider war Anton krank und wir mussten uns von ihm, 2 Monate nachdem wir in Köln (wieder) eingezogen waren, verabschieden.
Den Schnupfen haben wir besiegt, der trat immer nur dann auf, wenn Katerchen sich erschreckte, z.B. nach 10 Minuten im Keller eingesperrt sein.
Inzwischen war er so groß geworden und hatte so ein dickes Fell, dass der Name "Katerchen" nicht mehr passte, so wurde aus "Katerchen" Finnie. Er war ein toller Kater, ein gutmütiger, hellsichtiger Sturkopf, der gerne betüdelt wurde, wenn es ihm schlecht ging. Regennasses Fell wurde mit lautem Meckern angekündigt und es war erst gut, wenn er handtuchtrocken war.
Wenn es nicht so abgegriffen wäre, würde ich sagen: wir waren ein Herz und eine Seele.
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